Hausschlachtung – Erinnerungen aus den Sechziger Jahren
Ein fester Bestandteil unseres bäuerlichen Lebens war die Hausschlachtung in den kalten Monaten. Mehrmals im Winter wurden Schweine und gelegentlich auch ein kleiner Bulle geschlachtet – ein ganzer Tag war dann für diese Arbeit reserviert. Helfer aus der Verwandtschaft waren selbstverständlich, denn gegenseitige Unterstützung war auf dem Land gelebter Alltag.
Das Töten der Tiere war für mich als Kind stets eine schmerzliche Erfahrung. Nur selten musste ich dabei helfen. Besonders das Rühren des ausfließenden Blutes hat sich als sehr negative Erinnerung tief in mein Gedächtnis eingeprägt. Doch sobald das Tier ausgenommen war und am sogenannten „Schweinegalgen“ hing, konnte ich mich ohne Probleme an der weiteren Verarbeitung beteiligen.
Unser „Schlachter“ war ein erfahrener Mann, der nicht nur in Zarenthin, sondern auch in den umliegenden Dörfern gefragt war. Auch er zeigte, dass ihm die Tätigkeit nicht völlig spurlos blieb: Bevor er begann, nahm er stets einen kräftigen Schluck Pfefferminzlikör („Pfeffi“) – oft folgten noch weitere im Laufe des Tages. Nicht selten war die Flasche bereits beim Frühstück geleert, während das Schwein noch am Galgen hing. Danach zog er oft noch weiter zur nächsten Hausschlachtung. Als Kinder bekamen wir nur am Rande mit, dass er wohl ein kleines „Hochprozentiges-Problem“ hatte – heute kann ich seine Beweggründe gut nachvollziehen.
Ein wichtiger Teil der Schlachtung war die amtliche Kontrolle: Der Tierarzt, Dr. Dieter Schmidt aus Döllen, kam persönlich vorbei. Mit seinem Mikroskop prüfte er vor Ort die Fleischproben, insbesondere auf Trichinenbefall. Wurde etwas Auffälliges festgestellt, mussten bestimmte Fleischteile verworfen werden.
Während der Verarbeitung herrschte emsiges Treiben: Alle Feuerstellen im Haus, selbst die im Keller, waren angeheizt. Auf jedem Tisch lag Fleisch in verschiedenen Bearbeitungsstufen. Mein Großvater, der große Erfahrung besaß, übernahm das Würzen und Abschmecken – niemand sonst durfte hier Hand anlegen. Es wurde zerkleinert, durch den Fleischwolf gedreht, eingeweckt, gekocht, gepökelt und für das Räuchern vorbereitet.
Ein Datum ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: An einem Schlachttag erfuhren wir abends beim Westfernsehen von der Ermordung John F. Kennedys. Ein Ereignis, das sich unauslöschlich mit der Erinnerung an diese Tage verbindet.
Den Abschluss eines Schlachttages bildete immer ein festliches gemeinsames Abendessen – meist gegen 20 Uhr. Es gab frisch gebratene Schnitzel, Bouletten und dazu gekochte Kartoffeln mit kräftiger Soße. Dieser Duft, der aus der Küche in den Flur zog, und die Freude am vollen Tisch sind Erinnerungen, die mich bis heute begleiten.
Besonders begehrt waren bei uns Kindern die Mettwurst und die Lungwurst – ihre unvergleichlichen Aromen sind mir unvergessen. Fleisch und Wurst wurden kaum gekauft; im Keller und auf dem Dachboden lagerten immer reichlich Vorräte aus eigener Herstellung.
Diese Zeiten prägten nicht nur unseren Speiseplan, sondern auch unseren Gemeinschaftssinn und die tiefe Verbundenheit zur eigenen Arbeit und zu den Früchten unserer Mühen.
Quelle: Erhard Rensch