Die Kinder des Dorfes – Abenteuer zwischen Wald, Wiese und Dorfstraße

 

Zarenthin war ein echtes Kinderparadies. Viele Familien hatten Nachwuchs, und so gab es stets eine lebendige Kindergemeinschaft. Besonders in meinem Alter und drum herum waren wir eine richtig große Truppe – meist unterwegs mit meinem Bruder Lothar, Wilfried Paetzelt, Norbert und Erhard Leppin, Günter Köppen und anderen. Fast täglich zog ich mit fünf bis zehn Jungs los – Fußball, Streifzüge durch die Wälder und allerlei Abenteuer standen auf dem Plan.

 

Wir bauten Bunker und Hütten, schnitzten uns Pistolen, Schwerter und Schilde und errichteten sogar einen Fahnenmast, für den unsere Mutter eine weiße Fahne mit rotem Stern nähte. Die Bunker hatten gekrümmte Kriecheingänge, waren mit Moos und Ästen getarnt und innen mit einem wohnlichen Ausbau versehen. In einer riesigen Eiche am Luch entstand sogar ein Baumhaus – in etwa zehn Metern Höhe, unser ganz privates Refugium.

 

Ein Höhepunkt war ein Fußballspiel gegen die Döllener Jungs, das wir mit 3:1 gewannen – möglicherweise dank unseres Vaters, der als Schiedsrichter fungierte.

 

Im Frühjahr zogen wir durch Wald und Flur, um Elstern- und Krähengelege zu entdecken. Die Eier wurden ausgepustet, auf Fäden gefädelt und als Trophäen im Kinderzimmer aufgehängt. Eine Begegnung mit einer Eule im Nest werde ich nie vergessen – ebenso wie den Schreck, als ein Habicht von älteren Jungs getötet wurde. Danach hielten wir uns von ihnen fern.

 

Im Winter erlebten wir ebenfalls große Abenteuer: Ski- und Rodeltouren, kleine Skispringen, Lagerfeuer mit gerösteten Stullen und das Schlittern auf zugefrorenen Entwässerungsgräben. Einmal brach ich bis zur Brust ins Eis ein – das gab zu Hause natürlich Ärger.

 

Ein faszinierender Bestandteil unseres Alltags war auch die Sowjetarmee, die regelmäßig durchs Dorf fuhr. Liegengebliebene Panzer, Regulierer auf der Kreuzung oder über Wochen aufgebaute Richtfunkstellen im Wald – all das zog uns magisch an. Die Soldaten waren freundlich, schenkten uns Abzeichen oder übten mit uns sogar Mathematik. Einmal tauschte unser Vater eine Flasche zusammengesuchten Schnaps gegen eine schöne russische Uhr namens „Saturn“.

 

Natürlich gehörten auch Kindergeburtstage zu den Höhepunkten. Es gab Muckefuck, Kakao, Kuchen und abends verschiedene Puddingsorten. Gespielt wurde Verstecken, Greifen oder Hopse – einfach und herzlich. Jeder Gast brachte eine Kleinigkeit mit – oft eine Tafel Schokolade.

 

Und wenn die Obstbäume reif waren, wurden sie zu unseren Rückzugsorten – manchmal saßen wir stundenlang in den Kronen und ließen uns die süßen Früchte schmecken.

 

Quelle: Erhard Rensch

Kategorie
Geschichten